Kennen Sie den Nocebo – Effekt?

Die Begrifflichkeit Nocebo hat die entgegengesetzte Bedeutung zum altbekannten Placebo und bedeutet wortwörtlich “Ich werde schaden!”. Der häufigste Anwendungsfall in der Praxis, bei welchem der sogenannte Nocebo – Effekt eintritt ist die vorangegangene ausführliche Aufklärung über die möglichen negativen Nebenwirkungen eines bestimmten Medikamentes oder eines medizinischen Eingriffs im Krankenhaus. Wer kennt nicht diese Wirkung, welche eintritt, wenn man den ausführlichen Beipackzettel eines bestimmten Medikamentes aufmerksam studiert hat und natürlich kurze Zeit, nachdem man dieses eingenommen hat, die dort aufgeführten Nebenwirkungen denn auch wie bestellt eintreten. Sei deren Auftreten unter normalen Umständen auch noch so unwahrscheinlich, plötzlich bildet man sich ein, dass genau die vorhergesagten Begleiterscheinungen natürlich bei einem selbst auch auftreten!

Unrühmliche Bekanntheit erlangt der Nocebo – Effekt regelmäßig, wenn insbesondere Krebspatienten aufgrund des durch die behandelnden Ärzte als sicher vorausgesagten baldigen Todeseintritts, diese denn auch wirklich “brav” wie angekündigt versterben. Eine vernichtende Aussage derart “Sie haben Krebs im Endstadium, wir können leider nichts anderes mehr für Sie tun als Ihre Schmerzen zu erleichtern, sie haben noch ungefähr 6 Wochen zu leben!” wird auch heute noch regelmäßig auf jeder Onkologie-Station eines Krankenhauses getätigt, obwohl auch in Ärztekreisen längst bekannt ist, welche verheerenden Wirkungen derartige Aussagen haben können. Untersuchungen derartiger Fälle brachten leider häufig die tragische Erkenntnis zu Tage, dass überraschenderweise bei einer nachträglichen Obduktion der Leichnamen häufig nur sehr kleine, wenig ausgebildete Tumore aufwies, welche nicht einmal weitere Organe befallen hatten, folglich der Patient gar nicht letal an Krebs erkrankt war und die negative Vorhersage somit schlicht einer Fehldiagnose entsprach. Der Tod trat in diesen Fällen weniger durch den Krebs selbst ein, als vielmehr durch die mit der ärztlichen Diagnose beim Patienten hervorgerufene Hoffnungslosigkeit und die damit verbundene negative Erwartungshaltung.

noceboDer ungarische Psychoanalytiker Michael Balint prägte hierzu schon früh den Begriff von der “Droge” Arzt. Dem guten Arzt müsse sehr wohl bekannt sein, dass die von ihm verwendeten Worte mit sein wichtigstes Instrument seien, welches er behutsam einsetzen solle, da es beträchtlichen Nutzen oder aber auch großen Schaden am Wohlergehen des betroffenen Patienten anrichten könne, wie die oben aufgeführten Beispiele deutlich zeigen.

Typische unbedachte Äußerungen von Ärzten oder Krankenhauspersonal mit möglichen Negativwirkungen oder welche zumindest oft zu einer Verunsicherung bei den Patienten führen sind beispielsweise “Wir machen Sie jetzt fertig!” bei den Vorbereitungen zu einer Operation, “Dann schneiden wir sie in viele kleine Scheiben!” vor der Kernspintomographie oder “Wir schläfern Sie jetzt ein, gleich ist alles vorbei!” bei dem Verabreichen einer Vollnarkose. Ein sensibler Patient findet derartige lapidar oder sogar scherzhaft mit einer Portion schwarzen Humors dahergesagte Sätze möglicherweise nur halb so witzig wie das behandelnde Personal selbst, welches durch den Krankenhausalltag dementsprechend hartgesotten ist, oder im schlimmsten Fall, führen diese direkt zu real spürbaren Irritationen bei diesem.

Der Tipp für die behandelnden Ärzte bzw. das Krankenhauspersonal kann daher nur lauten “Wählen Sie Ihre Äußerungen zukünftig mit Bedacht!”, der für die behandelten Patienten “Lassen Sie sich nicht so schnell erschrecken und messen Sie verklausulierten oder unverständlichen Äußerungen nicht in jedem Fall die scheinbar von diesen ausgehende negative Bedeutung zu, hinterfragen Sie diese stets fachlich und holen Sie im Zweifel die Meinung mindestens eines weiteren Arztes ein oder lassen sie diese zunächst auf ihre Richtigkeit hin überprüfen!”.

Die Vorhersage eines angeblich sicheren Todes halten wir hingegen in jedem Fall ethisch und moralisch für unverantwortlich, diese fast schon grausam und menschenverachtend anmutende Praxis sollte jeder Arzt mit entsprechendem Verantwortungsbewusstsein aus seinem Wortschatz möglichst verbannen!

Quelle: Wenn der Arzt mit Worten tötet!