Nachbarschaftsgeschwätz in Zeiten des Internets

Früher ging man morgens auf dem Weg zur Arbeit beim örtlichen Zeitungskiosk vorbei und erwarb ganz klassisch traditionell die aktuelle Tageszeitung gegen 50 Pfennig in der Form von Bargeld zusammen mit einer Schachtel Kippen oder frischen Brötchen – auch gerne Schrippen genannt – und hielt noch ein kleines Quätschen mit dem Betreiber über das Wetter oder die angesagteste Schlagzeile des Tages.

Das Lesen dieser am Schreibtisch zu einer Tasse Kaffee, einem Brötchen oder einer Morgenzigarette im Zug – ja, es gab sogar noch Zeiten, zu denen man in Zügen rauchen durfte, auch wenn dies nicht das Thema dieses Artikels werden wird – verursachte noch schwarz gefärbte Fingerkuppen und das Umblättern der einzelnen Seiten raschelte laut. Manchmal ärgerte man sich über das unhandliche Format und die Schwierigkeit, die Seiten immer an der passenden Stelle und vor allem exakt umknicken zu können.

Heutzutage sind die meisten Tageszeitungen längst abbestellt. Ein Verlag nach dem anderen “macht pleite” und der Ursprung so mancher Schlagzeile entstammt, egal in welches regionale Blatt man schaut, aus Kostengründen der gleichen Quelle. Die Neuigkeiten liest man in seinem Newsticker auf dem Smartphone oder dem Kindle, wahlweise bei Facebook oder Spiegel – und Stern Online. Es wird morgens in der Bahn auf dem Display einmal alles hoch und runter gescrollt, kurz überflogen und vor den beruflichen Emails kurz der Socialmedia Account gecheckt.

Soweit so gut – die Zuführung der Neuigkeiten hat sich bis auf die dahinter stehende Hardware kaum verändert – so kommt sie einfach digital statt analog daher. Und statt des Raschelns gibt es ein Piepen, sofern man “Push-up” abonniert hat.

Bis auf eine eklatante Neuerung: die Kommentarfunktion!

Hier kann man sich selbst einbringen, man wechselt vom rein passiven Konsum der für wichtig eingestuften Neuigkeiten quasi zum Mitgestalter der Medienlandschaft. Die Kommentarfunktion gleicht der Kaufbewertung bei Ebay oder aber sie ersetzt den ganz herkömmlichen Austausch mit dem Mann am Zeitungskiosk oder dem Nachbarn, welcher einem dort ebenfalls früher auf dem Rückweg begegnet ist. Der anonyme Städter, bisher in seiner eher stummen Zuschauerhaltung gefangen, hat nun endlich wieder die Möglichkeit, über dieses Tool ein “Lebenszeichen von sich” zu geben und sich zu beteiligen an der Meinungsbildung sowie seine ganz eigene persönliche Ansicht zu den Dingen kund zu tun. Dies geschieht auch nicht mehr wie früher in geschlossenen Chaträumen, sondern in aller Öffentlichkeit direkt unter den Artikeln auf der Startseite. Die Anonymität und damit auch der Mut zur öffentlichen Meinungsäußerung wird durch die Verwendung von Nicknames sichergestellt oder auch nur bei individuellem Wunsch gewährt. Gerne kann man sich dabei noch mit netten Avatars von Kätzchen oder dem Lieblings-Promi präsentieren. Auch diese Wahl lässt bei manchen schon auf den Inhalt des eigenen Beitrags schließen.

Und so gibt es mehr oder weniger fleißige Teilnehmer, manche auch als Dauerkommentatoren und Hobby-Journalisten unterwegs. Der eine hat größeren Ehrgeiz dabei und zeigt seine gut recherchierte Allgemeinbildung, speziell zu bestimmten Themenbereichen, der andere möchte einfach nur seinen Alltagsfrust oder die Wut auf jemand Bestimmtes im analogen Leben los werden auf diese Art.

Was sind Sie für ein Typ? Kommentieren Sie gerne oder bleiben Sie lieber “klassisch passiv” und beteiligen sich ungern an der öffentlichen virtuellen Diskussion?

Wie auch immer … es gibt einen schönen Spruch zu diesem Thema: “egal ob Bild Zeitung oder Spiegel – “verarscht” werden Sie alle, nur je nach dem gewählten Medium auf niedrigerem oder höherem Niveau” :-)

 

 

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